Säulenheilige

Zwei neue Figuren in der Bruderklausen Kirche Heerbrugg

Schweige und höre
neige deines Herzens Ohr
suche den Frieden

Zum Kirchenfest am 25. September 2005 finden zwei neue Kirchbürger Aufnahme in die Bruderklausen Kirche Heerbrugg. Neu wird der Eingangsbereich der Heerbrüggler Pfarrkirche unter der Orgelbühne durch zwei „Säulenheilige" geziert, die den Besucher des Gotteshauses freundlich willkommen heissen und ihn zugleich auf die Funktion und Bedeutung des sakralen Raumes verweisen. Links steht ein in Mönchskutte gekleideter Mann, welcher den Zeigefinger der linken Hand (der Herzseite) zum Zeichen des Schweigens, zur Aufforderung zu Ruhe und Stille auf seinen Mund gelegt hat. Die leicht vornübergebeugte Haltung des Mönches verweist auf eine betende Frau, welche an der rechten Säule des Eingangsbereiches zum Kirchenschiff steht. So weist der zuvorkommende Mönch den Besucher auf die Bedeutung des Ortes hin, und auf das heilige Geschehen, auf die Zwiesprache zwischen Gott und Mensch im stillen
Gebet, für die dieses Haus erbaut wurde. Es ist ein spiritueller Dialog, der sich da zwischen den Säulen, zwischen Mönch und Beterin entspinnt, und die Besucher in die Kirche zum Mittun hineinbittet.
Wer den Mönch nicht nur flüchtig betrachtet, der wird schnell bemerken, dass diese Aufforderung zur Rücksichtnahme auf die Betenden mit viel katholischem Humor daherkommt, denn der Heerbrüggler Mönch scheint im wahrsten Sinne des Wortes selber ein rechtes „Schlitzohr" zu sein und auch sein Gesichtsausdruck verrät etwas von einer geistlichen Souveränität, die selbst noch immer den Schalk im Nacken und ein Zwinkern im Auge hat. Mit dem Gebetbuch - mit der rechten Hand verborgen auf dem Rücken tragend - mag der zum Flüstern und Beten einladende Mönch daran erinnern, dass es im Hause Gottes nicht so sehr um das Herunterleiern gebotener Gebete geht, als vielmehr um das Herzensgebet des einzelnen Menschen, der sich seinem Schöpfer öffnet und anvertraut. Die betende Frau ihrerseits hat ebenfalls einen ganz eigenen, schelmischen Esprit. Die Hände sind zwar gehörig zum Gebet gefaltet, aber deutlich ist in ihrer Haltung auch eine gewisse Bemühtheit zu spüren, sich wirklich zu konzentrieren, bei ^.der Sache" zu sein. Welcher Fromme kennt dieses Gefühl nicht... Allzuschnell sind wir wieder abgelenkt durch tausend Dinge des
Alltags. Und so kreisen denn die Daumen der Beterin vor lauter Ungeduld auch munter umeinander und lassen den Betrachter einmal mehr schmunzeln. Die Jackentaschen der Beterin sind prall gefüllt. Ein Hinweis, für die Sorgen und Nöte des täglichen Lebens, für den Materialismus der heutigen Zeit, für den Ballast, den sie mit sich herumträgt und mit in die Kirche bringt. Ein tiefgründiges Lächeln im Gesicht dieser Empfangsdame im Hause Gottes lässt ahnen, dass sie um die Höhen und Tiefen des Lebens weiss und doch ihren Humor nicht verloren hat. Sie scheint zu wissen, dass zwei und zwei manchmal eben auch fünf ist, dass Gott selbst auf krummen Zeilen immer noch gerade Schreiben kann und es in der Regel besser ist einmal mehr zu lachen oder sich zu wundern als sich zu ärgern. So werden denn nun die Heerbrüggler Kirchbesucher nicht von zwei makellosen Heiligen willkommen geheissen, sondern von zwei Menschen, die wie jeder andere auch, die wie Du und Ich, mit sich selbst, mit Gott und dem Leben so manches Mal zu ringen haben. Ihre Botschaft lautet: komm herein. Hier, vor Gott, darfst Du sein wie Du bist, mit deinen Schlitzohrigkeiten, mit deinen prall gefüllten Taschen voller Alltagsbeschwerden, mit all deinen Schelmenstücken, die Du schon auf dem Kerbholz hast. Tritt ein, „schweige und höre, neige deines Herzens Ohr, suche den Frieden", so wie es auch der Patron dieser Kirche, der Hl. Bruder Klaus, schon getan hat.

Zweifellos sind mit diesen beiden, von Holzbildhauermeister Robert Hangartner (Altstätten) aus einem einzigen Eichenstamm geschaffenen, Figuren zwei weitere zeitgenössische Zeugnisse von Kunst und Religiosität des St. Galler Rheintals in die Heerbrüggler Kirche gelangt. Ein gelungenes Werk, das Heiligen Ernst und Humor verbindet und damit in einer grossen Tradition steht, wie sie sich auch an zahllosen Beispielen in der St. Galler Kathedrale findet. Dank dem Künstler für die gute Zusammenarbeit. Dafür, dass er die Ideen, die Gedanken und Worte des Schreibenden so gut aufgenommen und mit eigenem, unverwechselbarem Akzent ins Holz umgesetzt hat.
Den grosszügigen, anonymen Spendern, die dieses Werk ermöglicht haben, sei auf das allerherzlichste gedankt.

Heerbrugg, am Hochfest des Heiligen Bruder Klaus 2005
Thomas von der Linden Diakon, Pfarreibeauftragter